Was bleibt
Was bleibt von Ihnen?
Was bleibt uns?
Mit diesem Satz deutet das Zweite Vatikanische Konzil den Glauben an die
Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Die Liebe wird bleiben, und das, was sie einst
getan hat.
2. Auferstehung: eine Hoffnung der Opfer. Im Blick auf das Gesamt der Bibel ist es gar nicht
so selbstverständlich, von einem ewigen Leben des Menschen zu reden. Ewigkeit, das
Nichtbegrenztwerden von Zeit und Raum, ist für die Bibel eine Eigenschaft Gottes. Wir
Menschen dagegen sind begrenzt. Und für weite Strecken der Bibel stellt der Tod eine endgültige
Grenze dar. So zieht es sich durch die Gebete des Alten Testaments. In einem Gebet aus dem
Buch des Propheten Jesaja betet ein Mensch in einer lebensbedrohlichen Krankheit. Er klagt und
er bittet. Es heißt in dem Gebet:
Ich sagte:
Ich darf den Herrn nicht mehr schauen im Land der Lebenden,
keinen Menschen mehr sehen bei den Bewohnern der Erde.
Meine Hütte bricht man über mir ab,
man schafft sie weg wie das Zelt eines Hirten.
Wie ein Weber hast du mein Leben zu Ende gewoben,
du schneidest mich ab wie ein fertig gewobenes Tuch.
Herr, ich vertraue auf dich: du hast mich geprüft.
Mach mich gesund und lass mich wieder genesen.
Ja in der Unterwelt dankt man dir nicht,
die Toten loben dich nicht,
wer ins Grab gesunken ist, kann nichts mehr von deiner Güte erhoffen.
Nur die Lebenden danken dir, wie ich am heutigen Tag.
(Jesaja 37,10-19 in Auswahl)
Der biblische Beter führt Gott vor Augen, ihn doch aus seiner Krankheit zu retten, damit er weiter leben und Gott danken kann. Für den Glauben dieses Beters ist der Tod die endgültige Grenze, auch für Gott. Bei diesem Glauben ist es nicht geblieben. Kann der Tod für die Treue Gottes zu den Menschen eine Grenze sein? In der Bibel wird dieser Frage mit aller Schärfe gestellt, als die Menschen eine neue Erfahrung machten Im zweiten Jahrhundert vor Christus wurden das erste Mal Menschen aufgrund ihres Glaubens verfolgt und umgebracht, die ersten Martyrer. So wie später die Christen durch die römischen Kaiser, so wurden damals gläubige Jüdinnen und Juden zum Opfer der Machthaber. Sie starben aus Treue zu Gott. Und die, die überlebten, sagten: Es kann nicht sein, daß nicht auch Gott ihnen treu bleibt. Gott wird ihr hingegebenes Leben bewahren. Gott wird sie vom Tod aufstehen lassen.
Aus dieser Zeit der Verfolgung stammt die alttestamentliche Lesung. Die vier Tiere, die Bestien, die aus dem
Abgrund aufsteigen, sind Bilder für die Machthaber der damaligen Zeit. Gott hält Gericht und
entmachtet diese Herren der Welt. Dann kommt mit den "Wolken des Himmels" - das heißt aus
der Welt Gottes - der Menschensohn. Einer, der aussieht wie ein Mensch, nicht wie eine Bestie. Ihm wird die Macht gegeben und eine Zeit des Friedens beginnt. Die Entmachtung des Todes
und der Angst und die kommende Zeit des Friedens unter dem Menschensohn: An ihr werden
auch alle Anteil haben, die zu Opfern wurden. Sie werden aufstehen zum Leben.
3. Das ewige Leben Jesu: Das ist die Hoffnung, die in den Bildern der altestamentlichen Lesung
ausgedrückt ist. Es ist die Hoffnung, daß Gottes Treue zu den Menschen am Tod keine Grenze
hat. Das Neue Testament verkündet: Jesus ist "der Menschensohn". Mit ihm beginnt Gottes
Reich, Gottes ewiges Leben für die Menschen. Aber von außen gesehen ist das Leben Jesu ganz
anders, als es der apokalyptische Seher erwartet hat. Ich kann mich gut hineinversetzen, daß die
Zeitgenossen Jesu in ihm nicht den Menschensohn erkannt haben. Wie soll einer die Mächte des
Todes und der Angst entmachtet haben, der selber von diesen Mächten umgebracht worden ist?
Das ist das Unwahrscheinliche, an das wir Christinnen und Christen glauben: Die Entmachtung
des Todes ist Wirklichkeit geworden in der Hinrichtung dieses Menschen - Jesus. Gottes ewiges
Leben erspart uns das Leben nicht und nicht den Tod. Gottes ewiges Leben geht mitten
durch unser Leben, mitten durch unseren Tod. Ewiges Leben findet, wer sich wie Jesus im Leben
und Sterben in Gottes Hände gibt:
Was Christinnen und Christen unter dem ewigen Leben verstehen, hat das Johannesevangelium
beschrieben. Dort sagt Jesus:
Das ewige Leben, an das Christen glauben, hat also wenig zu tun mit der Vorstellung einer
bloßen Fortsetzung des irdischen Lebens mit anderen Mitteln. Das ewige Leben des christlichen Glaubens hat wenig zu tun mit den
Unsterblichkeitsträumen mancher Wissenschaftler heute, die erwarten, mithilfe von Gen- und
Computertechnologie das Leben des Menschen ins Unendliche verlängern zu können. Das ewige Leben des christlichen Glaubens wird nicht gewonnen,
wenn das Gehirn eines Menschen zum Teil eines Computerprogrammes würde, das "unsterblich" wäre, solange es Computer gäbe. Für den Glauben ist das ewige
Leben nicht eine unendliche Fortsetzung dessen, was unser irdisches Leben ausmacht. Ewiges
Leben heißt: Bei Gott ankommen. Bei Gott zu Hause sein.
4. Wann beginnt die Ewigkeit? Für diese Ankunft bei Gott, für dieses Zuhause gebrauchen die
Bibel und die Lehre der Kirche eine ganze Reihe von Bildern. Und es ist wichtig festzuhalten: Sie
alle geben uns keine Antwort auf die Frage nach dem "Wie" der Auferstehung und des ewigen
Lebens:
Aber die Bibel warnt davor, unsere Gedanken allzusehr an dieser Frage festkleben zu lassen. Gerade Jesus lehnt diese Frage ab, als sie ihm einmal gestellt wurde. Die Frage nach dem Wie" schiebt nämlich den Glauben an Gottes ewiges Leben aus unserem Leben heraus an seine physische Grenze. Wie soll denn das passieren - dann, später? Das ist gefährlich, weil es beim ewigen Leben nicht um etwas geht, was irgendwann, später über uns kommt - oder nicht. Die Bibel gibt zwar keine Auskunft über das "Wie", aber in gewisser Weise über das "Wann". Wann beginnt das ewige Leben? Das ewige Leben beginnt nicht nach dem Tod, sondern nach der Angst. "Das ist das ewige Leben: dich den einzigen wahren Gott zu erkennen, und den du gesandt hast: Jesus Christus" (Johannesevangelium 17,3).
Dort, wo ein Mensch die Angst um sich selbst losläßt, auf Gottes Treue vertraut und sein Leben in Gottes Hände legt, dort beginnt für einen Menschen das ewige Leben:
Reicht das aus?
Es muß ausreichen.
Es wird ausreichen.
Im Rahmen einer Predigtreihe über das Glaubensbekenntnis der Christen habe ich im November vergangenen Jahres in den katholischen Gemeinden in Flörsheim über den Artikel von der Auferstehung der Toten und vom ewigen Leben gepredigt. Diese Ansprache liegt dem obenstehenden Text zugrunde.
Die Lesung aus dem siebten Kapitel des Buches Daniel ist nach der Leseordnung der katholischen Kirche die alttestamentliche Lesung für den letzten Sonntag des Kirchenjahres (Christkönig) im Lesejahr B, Johannes 17,3 ist Teil der Evangelienlesung in der Votivmesse für die Einheit der Christen.
Schreiben Sie an u.sander@predigthilfe.de |
© www.ulrichsander.de 2001 |