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Johannesevangelium 19,17-18: 17 Jesus trug sein Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelhöhe, die auf hebräisch Golgota heißt. 18 Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere, auf jeder Seite einen, in der Mitte Jesus.


"Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt": Dieser Vers aus der Liturgie spricht von der Freude des Kreuzes - ein Gedanke, der seit alters her vierten Sonntag der Fastenzeit den Namen gibt: "Laetare" Dieses lateinische Wort heißt übersetzt: "Freue dich". Der Name rührt vom Eröffnungsvers dieses Sonntag her. Er beginnt mit den Worten: "Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart..." Wir können ergänzen: die ihr traurig und betrübt ward, am Boden zerstört und aller Hoffnungen beraubt ward; denn das Kreuz hat dem Leben Jesu ein brutales Ende gesetzt.

"Denn siehe durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt": Der Vers spricht vom "Holz des Kreuzes". Das ist das Thema des Karfreitags: das harte, kantige Kreuz. Wer als Kind schon einmal ein Stück Holz in der Hand gehabt und sich einen Splitter eingerissen hat, hat gespürt, wie weh Holz tun kann. Wir hören auch, dass die Jünger hoffnungslos geworden sind. Und für viele Menschen heute bedeutet der Tod das Aus, das Ende. Eine Jugendstudie stellte im Jahre 1985 fest: Die Hälfte der Jugendlichen glaubt nicht an ein Weiterleben nach dem Tod. Eine ähnliche Untersuchung aus unserem Nachbarland Österreich ergab, dass neunundvierzig Prozent aller Österreicher nicht an ein Leben nach dem Tod glauben. Das Holz des Karfreitagskreuzes steht aber auch unumgänglich uns im Weg, unumgänglich wandern wir auf unser eigenes Kreuz zu. Niemand von uns weiß, welche Kreuze wir in unserem Leben noch werden tragen müssen.

In der Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag verehren wir das Kreuz. Das in ein Tuch verhüllte Kreuz wird in den Raum der versammelten Gemeinde getragen. Es wird dreimal feierlich erhoben und in drei Stufen enthüllt. Wir sehen es zwar dann wieder ganz vor uns - aber unsere eigenen Kreuze bleiben uns noch verhüllt. Ist unser Glaube also doch noch eine spannende Angelegenheit? Stimmt es, dass unser Glaube vor allem daran leidet, dass er entdramatisiert wurde - von wem und wann auch immer? Und dass er nur noch spannend sei wegen der zukünftigen Kreuze? Ich hoffe, dies trifft auf den Glauben jedes einzelnen von uns hier nicht zu! Dass unser Glaube nur wegen negativer Aussichten spannend sei...

"Denn siehe durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt": Wir gehen in der Karfreitagsfeier auf das Kreuz zu. Wir alle gemeinsam, jede und jeder für sich. Jede und jeder erhält einen persönlichen eigenen Zugang zum Kreuz Christi. Zum Kreuz, das Jesus den Tod brachte. Zum Kreuz, das über die Kreuze der Welt siegte. Zum Kreuz, dem Siegeszeichen des Auferstandenen. Aber zunächst steht es noch da als hartes Holz des Kreuzes, ernst und unumgänglich. Die Kehrverse und Lieder, die uns begleiten, sind ebenfalls ernst:

Sei uns gegrüßt, o heiliges Kreuz, woran das Heil der Welt gehangen.
Heiliges Kreuz, gepflanzt als Baum des ewigen Lebens.
Heiliges Kreuz, du Zuflucht der Sünder.
Heiliges Kreuz, du Unterpfand unseres Heiles.
Heiliges Kreuz, du der Menschen einzige Hoffnung.


Wer sich dem Kreuz aussetzt, bekommt dessen Grausamkeit zu spüren. Wer sich dem Kreuz anvertraut ... ja, sich Christus anvertrauen, das geht. Wir heften gleichsam unser Vertrauen an sein Kreuz. Dazu gehört es auch, im Rahmen des Karfreitagsgottesdienst die sogenannten "Großen Fürbitten" vor Gott hinzutragen. Damit bitten wir Gott, seinen Heilswillen grenzenlos werden zu lassen. Nicht nur für uns, für alle Menschen, gerade für die anderen bitten wir. Für wen und wofür wir bitten, das kommt aus unseren Herzen und geht zu Herzen. Wir öffnen uns, schauen über den Rand unserer Kirchengemeinden hinaus. Wir nehmen die in den Blick, die ihre Kreuze zu tragen haben.

Angesichts des Leidens und des Kreuzes Christi bitten wir für die vielen Kreuze in der Welt - ein Ausharren am Kreuz Jesu, ein Ernstnehmen dieses Kreuzes.

Ausgeharrt haben Christen schon immer vor dem Kreuz. Aus dem vierten Jahrhundert ist uns ein Bericht einer Pilgerin, Egeria, aus Jerusalem erhalten geblieben. Egeria schreibt über die Karfreitagsfeier in Jerusalem vom sechzehnhundert Jahren:

"Hat sich aber die sechste Stunde genähert, so geht man vor das Kreuz. Dort versammelt sich alles Volk. Von der sechsten bis zur neunten Stunde werden nur Schriftabschnitte verlesen, und zwar in folgender Weise: zuerst wird gelesen aus den Psalmen, wo immer vom Leiden die Rede, dann wird gelesen aus dem Apostel, aus den Briefen oder aus der Apostelgeschichte, wo immer sie vom Leiden des Herrn reden, auch aus den Evangelien werden Stellen gelesen, wo er leidet; ebenso wird aus den Propheten gelesen, wo sie von dem zukünftigen Leiden des Herrn reden. So werden von der sechsten bis zur neunten Stunde beständig Schriftabschnitte verlesen und Hymnen gesungen, damit allem Volke gezeigt werde, was die Propheten vom künftigen Leiden des Herrn vorausverkündigt haben, sei es nach den Evangelien und Schriften der Apostel erfüllt. Es werden aber stets Gebete eingeschoben, die auch für den Tag passend sind. Von den einzelnen Lesungen und Gebeten sind alle sehr betroffen, große und kleine, und es gibt keinen, der nicht an diesem Tage während dieser drei Stunden sehr viel mitleidet, weil der Herr für uns gelitten hat."

Schon in Jerusalem harrten die Christen im Leiden vor dem Kreuz aus. Ihnen standen die Orte des tatsächlichen historischen Geschehens unmittelbar vor Augen. Ihre Betroffenheit mag in einem Sinne unmittelbarer gewesen sein, als sie es für uns heute ist, die wir einem anderen Kontinent leben. Und doch sind Sie eingeladen, vor dem Kreuz zu verweilen, jede und jeder für sich persönlich. Hier lässt sich spüren: Ohne den wirklichen Tod Jesu wäre auch keine Auferstehung nötig. Oder anders herum gesagt: Nur, weil Jesus am Kreuz wirklich in den Tod gegangen ist, deshalb ist er auch wirklich auferstanden.

Schauen wir am Karfreitag auf das Kreuz und verweilen wir - denn nur aus dem Verweilen heraus werden die wirkliche Freude der Osterbotschaft begreifen:

"Denn siehe, durch das Holz des Kreuzes kam Freude in alle Welt." Amen.



Diese Predigt wurde im Rahmen eines Predigtzyklus zur Vorbereitung auf die Feier der Heiligen Woche in der Kirche St. Bernhard, Mainz-Bretzenheim, gehalten.




Schreiben Sie an mueller-geib@predigthilfe.de

© Werner Müller-Geib