Panik
1. "Verhärtet euer Herz nicht wie in Meriba, wie in der Wüste am Tag von Massa." Diese Namen sagen Ihnen nichts? Alte Namen in einer alten Wüste, und Sie möchten wissen, was uns diese Wüste angeht und die Schwierigkeiten, in die sie Reisende bringt, wo wir heute doch an anderen Orten mit ganz anderen Problemen zu tun haben? Ich denke, wir hier haben einiges zu tun mit Meriba und Massa, den Orten der "Probe" und des "Streites". Deshalb begleiten wir das Volk Israel ein Stück Wegs durch die Wüste und lassen uns von seiner Erfahrung führen. 2. Lange schon waren die Israeliten unterwegs in Richtung auf das Land der Verheißung. Manchmal schienen sie die Orientierung verloren zu haben, denn der Weg nahm kein Ende und machte die Wanderer mürbe. Es braucht eben ein ganzes Menschenleben, um ins verheißene Land zu gelangen. Aber wer denkt schon daran? Kein Wunder also, dass die Stimmung im Volk irgendwann den absoluten Nullpunkt erreichte. "Wo soll denn hier ein Brunnen sein, damit Menschen und Tiere sich stärken können?" murrten einige. Gelegentlich mag ja jemand vor sich hin geschimpft haben, weil das Nomadenleben vorwiegend Mühen bereithielt. Doch als sich herausstellte, dass dieser Rastplatz in der Wüste nicht einmal Wasser bot, ging ein Aufschrei durchs Volk: "Wir müssen hier verdursten!" Wo die Befriedigung von Grundbedürfnissen in Gefahr gerät, reagieren Menschen schnell panisch. Zu allererst bleiben dabei Vernunft und Besonnenheit auf der Strecke. Das erweist sich auch und daran hat sich bis heute nichts geändert an der spontanen Suche nach einem Schuldigen und an der Verklärung der Vergangenheit. "Wir haben nie behauptet, in Ägypten sei alles schlecht gewesen", sagen plötzlich die Alten, die sich noch an das Sklavenleben erinnern müssten und daran, wie sehr sie einst litten. Warum seid ihr dann nicht in dem Land geblieben? Warum müssen wir in dieser Öde aufwachsen? Lasst uns einfach nach Ägypten zurückwandern", meckern die Jungen. Stimmen besonnener Mahner gehen in diesem Klagegeschrei unter. Der Sündenbock ist bald erkoren: Mose heißt er. "Der hat sowieso Dreck am Stecken", tut sich einer hervor und spricht damit den rabenschwarzen Tag vor vielen Jahren an, an dem Mose einen Ägypter ermordete. "Wer garantiert, dass er nicht jetzt uns alle ins Verderben stürzt?" In der angespannten Atmosphäre denkt kaum einer an den Mut, den Mose bewies, als er dem Pharao widerstand, an das Wunder der Befreiung aus der Sklaverei, an das sichere Geleit, das dem Volk auf seinem langen Weg immer wieder von Gott geschenkt wurde. Mose, wir wollen Wasser für uns und unsere Tiere und zwar sofort; sonst" Und Mose? 3. Angst, Enttäuschung und Zorn spiegeln sich auf seinem Gesicht, als er zu Gott Zuflucht nimmt: "Herr der Welt und unser Befreier, außer Rand und Band sind deine Menschen geraten. Mir ist bange, denn sie werden mich umbringen, wenn du nicht eingreifst. Ich verstehe das Volk nicht? Wenn die Menschen einigermaßen zurechtkommen, haben sie vielleicht noch ein Ohr für deine Botschaft. Wenn es ihnen zu gut geht, vergessen sie dich, kümmern sich wenig um deine Weisung. Doch wenn sie Mangel leiden, zweifeln sie sogleich an deiner Treue, fragen ob du überhaupt bei und mit uns bist. Misstrauen bringen sie dir und deinen Boten entgegen. Aber ich weiß, du liebst die Mensch noch immer. Was kann ich also anderes machen, als dich um Hilfe bitten?" 4. Mose schweigt und hofft, dass Gott das nicht auch tut. Vom Lager schaut mancher verstohlen hinüber zu dem Ort, an den Mose sich zum Gebet zurückgezogen hat. Warum bleibt er so lange aus? Wartet er vergeblich auf Gott, muss er sich eine Strafpredigt anhören wegen der Auflehnung des Volkes? Wasser wird er auf diesem toten Boden jedenfalls keins beschaffen können. Als Mose sich dem Lager nähert, strahlt seine ganze Haltung Festigkeit aus. Er befiehlt die Begleitung einiger Stammesführer und entfernt sich mit ihnen. Mose richtet seine Augen auf zu dem vor ihm liegenden Berg und er weiß, dort wird von Gott Hilfe kommen. Alles Volk läuft jetzt zu dem Felsen, vor dem Mose stehen bleibt. Mit seinem Stab in der Hand scheint er zu beten und pocht dabei gegen die Steine. "Hört ihr das Rauschen?" ruft einer, und bald hört und sieht jedermann den Wasserfall, der aus der Felsspalte fließt. Jubel bricht aus. Gerettet! Doch ehe sich alle auf das Wasser stürzen, hält Mose eine flammende Rede, prangert den Unglauben der Seinen an. 5. "Wie wollt ihr mit dieser Einstellung das Leben meistern? Ihr habt Gott auf die
Probe gestellt und hattet doch sein Tun gesehen. Er hat uns gerettet aus
Unterdrückungen aller Art. Und ihr zweifelt an seiner Treue. Hört jetzt auf, Gott zum
Lückenbüßer zu machen und beginnt endlich, ihm zu vertrauen. Ich jedenfalls danke
Gott von Herzen, dass er an uns nicht handelt, wie wir es verdienten, sondern
unserem Kleinglauben seine Treue und Liebe entgegenhält - und heute dieses
Wasser schenkt. Und nun schöpft Wasser und mit ihm neuen Lebens- und
Glaubensmut für den Weg."
6. Wann haben Sie Gott auf die Probe gestellt und hatten doch sein Tun an Ihnen
erlebt? Wie gut, dass auch uns die Mahnung gilt, unser Herz nicht zu verhärten, und
die Einladung, neu auf Gottes Stimme zu hören. Sie führt uns ins verheißene Land.
Die Textausschnitte Numer 17,3-7 und Psalm 95,1-2.6-9 sind alttestamentliche Lesung beziehungsweise Zwischenpsalm für den dritten Fastensonntag im Lesejahr A nach der katholischen Leseordnung.
|