Alles, was er ist, ist er für uns
Jesus als König? Am Anfang und am Ende seiner Lebensgeschichte begegnet uns der Königstitel auf Jesus bezogen. Am Anfang führte der Stern jene, die den neu geborenen König der Juden suchten in einen Stall. Und am Ende steht dieser Titel als Spottschrift über dem Kreuz. Vom Stall zum Kreuz: eine ungewöhnliche Karriere für einen König. Wie passen die Feier eines "Christkönigsfestes", die Weihe von Kirchen an den "Christus König" zusammen mit diesem Jesus? - Wir werden ja in der Botschaft des Lukasevangeliums nicht mit einem siegreichen königlichen Triumphzug, sondern mit einem erbärmlichen Kreuzweg konfrontiert. Keine Erfolgsstory über einen großen Herrscher, sondern eine Skandalgeschichte. Vordergründig betrachtet, nach menschlichem Ermessen erzählt sie von einer gescheiterten Existenz. Was wir gewohnt sind, uns von einem König vorzustellen, wird da durchkreuzt: Kein Palast, sondern ein Hinrichtungspfahl als Thron, keine Krone aus Gold und Edelsteinen, sondern Dornen auf dem Kopf, Ohnmacht und Erniedrigung statt Macht und Pracht. Die Politik dieses Königs ist anders als die Herrschaft der Mächtigen dieser Welt: Er dient, statt sich bedienen zu lassen. Er geht selbst in den Tod, statt andere in den Tod zu schicken. Er vergibt seinen Feinden, statt zum Gegenschlag auszuholen. Zu allen Zeiten ist und bleibt dieser König Jesus und sein Regierungsstil eine Provokation. Auch bei denen, die sich auf ihn berufen möchten. Die Versuchung, seine Politik nicht mitzumachen, ist groß. In Dostojewskis "Die Brüder Karamasoff" spricht der Großinquisitor gegenüber dem wiederkommenden Jesus aus, was viele empfinden:
Der große evangelische Theologe und Prediger Karl Barth sagt zu dieser Szene:
Am Kreuz zeigt sich Jesus als König, weil er bei allem Spott und aller Erniedrigung eine Würde bewahrt, die weder durch Menschen gemacht ist noch durch Menschen zerstört werden kann. Diese königliche Würde kommt von Gott. Auch noch im Sterben weiß sich Jesus in der Macht der Liebe Gottes geborgen. Das ist seine Größe und das ist zugleich seine Verheißung an uns: Du Mensch, denke daran: auch du bist von Gott mit einer königlichen Würde ausgestattet und diese Würde kann dir niemand nehmen. Gerade dort, wo du von anderen beurteilt und verurteilt wirst, wo du dich nicht verstanden fühlst, wo du gegeißelt, gekränkt, lächerlich gemacht wirst, dort wo du scheiterst, wo du deine Schwächen, dein Versagen, deine Schuld, deine Verzweiflung und Bitterkeit spürst, gibt es dennoch einen Bereich, ein "Königreich" in dir, das niemand zerstören kann. Selbst in deinem Sterben kann dir diese göttliche, diese königliche Würde nicht genommen werden. Für mich ist "Jesus der König" eine Einladung, meine eigene königliche Würde zu entdecken und auch andere ihre eigene Würde erkennen zu lassen, auch in den Erfahrungen von Leid und Ohnmacht, im Angenageltsein am Kreuz. Stell dir vor, dass es in deiner Krankheit, in den Konflikten des Alltags, in Situationen, in denen du dich als schwach, verletzbar, unsicher erfährst, etwas in dir gibt, über das niemand verfügen kann, weil es göttlich ist. Wenn das die Wahrheit über dich ist, wie würdest du dann durch deinen Alltag gehen, wie würdest du dich erleben, wenn du kritisiert wirst, wenn etwas schiefläuft, wenn du dich in der Partnerschaft oder Freundschaft verletzt fühlst? Wenn das die Wahrheit über dich ist: eine königliche Würde, die bleibenden Bestand hat und weiter reicht als unsere menschliche Machbarkeit und Zerstörbarkeit, weiter als unser begrenzter Horizont, größer als unser Herz und unser Denken. Die Könige und Mächtigen dieser Welt kommen und gehen. Sie stehen nur für kurze Zeit in
einem begrenzten Reich im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Ihre Herrschaft vergeht - manchmal
ganz schnell! Das Königreich, das durch den gekreuzigten König Jesus in unsere Welt
gekommen ist, bleibt ewig und ohne Grenzen bestehen. Eine Spur dieses Königreichs lässt sich
schon jetzt in unseren Herzen erfahren. Das zu glauben, darauf zu vertrauen ist aller Grund genug
für ein Fest.
Dem Text liegt eine Predigt im Gottesdienst zum Christkönigsfest zugrunde, die am Sonntag, den 25. November 2001 in der anglikanischen Kirche "Church of Christ the King" in Frankfurt am Main gehalten wurde.
© Ulrich Katzenbach Schreiben Sie an u.katzenbach@predigthilfe.de |