Gottes fremde Namen





Mala, der buddhistische Rosenkranz Der islamische Rosenkranz Der katholische Rosenkranz: Die Perlen und das Kreuz
Mala, der buddhistische Rosenkranz Der islamische Rosenkranz Der katholische Rosenkranz:
Die Perlen und das Kreuz


Der Oktober gilt vielen Katholiken als der "Rosenkranzmonat" und die Gebetsschnur vielen Nichtkatholiken als "typisch katholisch". Dabei ist die Meditation mit dem Rosenkranz wohl älter als das Christentum. Aus der indischen Religiosität stammend, Bestandtteil buddhistischer Frömmigkeit geworden, wurde die Gebetskette von Muslimen gebraucht. Aus dem Islam gelangte sie ins Christentum.



Stationen: Gottes fremde Namen / Die Stimmen der Buddhisten: Juwel im Lotos / Die Stimmen der Muslime: Gottes schöne Namen / Die Stimmen der Christen: Geheimnis Jesus / Frieden

1. Gottes fremde Namen. Die ersten drei Gebote des Zehnworts vom Sinai verbieten, neben Gott andere Götter anzubeten, einem Gottesbild Anbetung zu zollen, mit dem Namen Gottes etwas anderes als Gott anzurufen. Von den einen als Wurzel monotheistischer Unduldsamkeit gescholten, hören Christen in diesen Worten die frohe Kunde von der Gottheit Gottes und der Weltlichkeit der Welt und der Menschlichkeit des Menschen. Frohe Kunde, Evangelium ist diese biblische Religionskritik:

Gottes Name bleibt uns "fremd". Auch wenn Gott uns in den biblischen Geschichten seinen Namen offenbart hat, bleibt er Gottes Name und wird nie menschliches Eigentum. Wo Christen in ihrem Glauben wissen, dass Gott nicht ihnen, sondern dass sie Gott gehören, werden sie frei, auch auf Gottes "fremde Namen" zu hören. Darauf, wo Gott selbst seinen Namen zu Ehren bringt in den Gebeten gläubiger Menschen anderer Religionen und Kulturen.

Im Oktober, dem "Rosenkranzmonat", rufen viele katholische Christinnen und Christen den Namen Gottes vor allem durch das Beten des "Rosenkranzes" an. Mit dieser Gebetsschnur ist eine Litanei, ein Wiederholungsgebet, aus Vater-Unser- und Ave-Maria-Gebeten verbunden. Diese Form der Meditation mithilfe einer Gebetsschnur ist uralt. Es ist, als ob die Stimmen der christlichen Beterinnen und Beter begleitet würden: vom Gemurmel eines großen Chores, von Stimmen, die in fremden Sprachen klingen, von Gottes "fremden Namen".

2. Die Stimmen der Buddhisten: Juwel im Lotos. In diesem Chor sind die Stimmen von Buddhisten zu hören. Der historische Buddha Gautama ist für viele Buddhisten die Verkörperung eines überzeitlichen Wesens, das gelobt hat, nicht eher in den göttlichen Zustand leidfreier Seligkeit einzugehen, bis alle Wesen erlöst sind (Bodhisattwa Awalokiteschwara). Dieser "Buddha der Barmherzigkeit" wird in China oder Japan oft als weibliche Gestalt abgebildet. Ihr Erkennungszeichen ist der Rosenkranz, der sie mit den Gläubigen verbindet. Sie suchen mit Hilfe der 108 Perlen der Gebetsschnur innere Sammlung und rufen um Erbarmen und Beistand:


  Das heilige Mantra: Om mani padme hum  


"Om mani padme hum" lautet ihre Gebetsformel.

"Gestaltgewordenes Heil, wie im Anfang so in Ewigkeit" könnten Christen aus der Gebetsformel des buddhistischen Rosenkranzes hören.

3. Die Stimmen der Muslime: Gottes schöne Namen. Im Chor der Beter sind die Stimmen von Muslimen zu hören. Buddhisten haben die Gebetsschnur weitergereicht an die Mönche islamischer Orden, die sie mit eigenen Formen des Gebetes verbunden haben: 99 Perlen zählt die islamische Gebetsschnur, Erkennungszeichen der Muslime in vielen Teilen der Welt. 99 Perlen für die 99 "schönen Namen Gottes"

"Gottes sind die schönsten Namen, so rufet ihn bei diesen an" (Koran Sure 7,179). Es heißt, Gott habe hundert Namen; 99 davon wiederholen alle Gläubigen im Rosenkranz; den hundertsten Namen offenbart Gott jedem Menschen in der Stille seines Herzens. In diesem hundertsten Namen Gottes können Christen die Stimme Jesu hören: "Abba, lieber Vater".

4. Die Stimmen der Christen: Geheimnis Jesus. In den Chor der Beten stimmen die Christen ein. Die muslimischen Gläubigen haben die Gebetsschnur des Rosenkranzes weitergereicht an die christlichen Mönche des Dominikanerordens. Die dreimal gebetete Reihe der Perlen des katholischen Rosenkranzes entspricht der Zahl der 150 Psalmen der Bibel.

  Der katholische Rosenkranz  


Auch die im Rosenkranz wiederholten Gebete des "Vater unser" und "Ave Maria" stammen aus der Bibel, dem Neuen Testament: Das "Vater unser" ist das Gebet, das Jesus selbst seiner Jüngergemeinde anvertraut hat (Mattäus 6,9-13; Lukas 11,2-4). Das "Ave Maria" kombiniert den Gruß des Gottesboten an Maria und die Seligpreisung Marias durch ihre Verwandte Elisabet (Lukas 1,28.42).

Unser Vater im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.

Gegrüßet seist du, Maria,
voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist gebenedeit unter den Frauen,
und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes,
Jesus.
Heilige Maria, Mutter Gottes,
bitte für uns Sünder
jetzt und in der Stunde unseres Todes.

Der Rosenkranz verbindet die Bitte um Erbarmen mit der biblischen Geschichte. Kernelement des katholischen Rosenkranzes ist ein "Gesätz" (die Rezitation von einem Vater-unser und zehn Ave-Maria-Gebeten), das die stets von neuem wiederholten Gebete jeweils unter eine bestimmte Betrachtung des Heilswirkens Jesu Christi stellt. Dreimal fünf solcher "Gesätze" spannen den Bogen der Geheimnisse des Lebens Jesu auf: seine Empfängnis, Geburt und Kindheit (freudenreiche Geheimnisse), seine Angst, Folter und Hinrichtung (schmerzhafte Geheimnisse) und sein österlicher Sieg über den Tod, die Sendung des Geistes, die Erhöhung Marias (glorreiche Geheimnisse). Die Erinnerung an die Barmherzigkeit Gottes, der als Mensch unter uns gelebt und gelitten hat. So wird die Gebetsschnur zum Ausdruck der christlichen Hoffnung: Dass wir an Gottes Leben teilhaben, wie Gott an unserem teilgenommen hat.

5. Frieden. Der Rosenkranz versammelt einen Chor von Stimmen unterschiedlicher Zeiten, Kulturen und Religionen. Wenn katholische Christinnen und Christen in diesem Oktober diese Gebetsform besonders pflegen, dann legt ihr Gebet ein praktisches Zeugnis ab gegen diejenigen, die die Ereignisse dieser Tage als Anzeichen für einen "Kampf der Kulturen" verstehen. Der Rosenkranz in den Händen von Christen und in den Händen von Muslimen spricht davon, dass Glaube Menschen verbinden kann, wenn sie Gottes "fremde Namen" zu hören bereit sind.

Der - nach islamischer Überlieferung - "Frieden" (as-Salam)  unter seine Namen zählt, dessen Gnade Christen anrufen, wenn sie sich an die Mutter Jesu, die "Königin des Friedens", wenden: Gott schenke Frieden seinen Kindern in dieser Zeit.



  Der Bodhisattwa Awalokiteschwara mit dem Rosenkranz in der rechten oberen Hand Eine barocke Madonna im Rosenkranz der fünf Wunden  
  Der Bodhisattwa Awalokiteschwara, die Verkörperung der Barmherzigkeit. Er hält einen Rosenkranz in der rechten oberen Hand Eine barocke Madonna inmitten eines Rosenkranzes der "Fünf Wunden" Jesu  







© Ulrich Sander

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